
Wer braucht schon Geld?
Kaum ein Startup wird ohne Finanzierung von außen erfolgreich. Die richtige Strategie bei der Aufnahme von Geld entscheidet nicht nur über die Geschwindigkeit der Entwicklung eines Startups, sondern auch darüber, wie viele Anteile das Gründungsteam bei einem Exit noch verfügen kann.
Zwei Faustformeln gibt es: Geld ist „teurer“ (1) je dringender es benötigt wird und (2) je früher es im Lebenszyklus eines Startup aufgenommen wird.
Eine Finanzierungsrunde dauert von dem Moment, an dem sich alle Beteiligten grundsätzlich einig sind bis zum Eingang des Geldes auf dem Konto des Unternehmens locker drei Monate. Umfangreiche Verträge sind zu entwerfen, Notartermine zu vereinbaren, viele Dokumente durchzusehen, Milestones nachzuweisen und schließlich die vereinbarten Gelder bereitzustellen. Die Geldgeber versuchen in Finanzierungsverträgen mit zahlreichen Sicherungsklauseln oder finanziellen Bevorzugungsregelungen das Maximum aus dem Investment rauszuholen. Wer solche Regelungen unverhandelt akzeptiert, kann nicht nur seine Handlungsfreiheit im eigenen Unternehmen verlieren, sondern nimmt erhebliche spätere finanzielle Einbußen in Kauf. Entsprechend ziehen sich die Verhandlungen hin, die Geldgeber machen sich dabei Faustformel 1 zu Nutze.
Krümel oder ganze Stücke – wie viel vom Kuchen muss ein Startup abgeben?
Je mehr von einer Idee umgesetzt, in der Praxis erprobt oder an Märkte angepasst ist, desto besser können die Risiken und Chancen abgewogen werden. Wer Siemensaktien kauft, rechnet nicht mit einem Totalverlust. Bei Venture Capital in der Seed-Phase sind Total-Ausfälle bei 90 % der Investments kein Grund für Selbstzweifel. Bei einem erfolgreichen Startup steigt der Wert des Unternehmens entsprechend stark. Ist die bloße Idee mit einem engagierten Team mit 100k EUR vielleicht hoch bewertet, kann ein international erprobtes App-Konzept leicht viele Millionen wert sein. Entsprechend bekommt ein Investor am Anfang für 10k vielleicht 10 % und am Ende nur noch 0,01 % vom Unternehmen.
Finanzierungsarten
Unterschieden wird zwischen Fremdkapital (beispielsweise das klassische Darlehen) und Eigenkapital (beispielsweise die klassische Beteiligung).
Beim Fremdkapital schließen die Parteien einen Vertrag über die Zurverfügungstellung einer bestimmten Geldsumme. Neben der Rückzahlung erhält der Geldgeber einen zusätzlichen Anreiz, der vom Risiko abhängt, also beispielsweise Zinsen oder einen Anteil an Umsatz oder Gewinn. Soll der Geldgeber weitere Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung oder die Geschicke der Gesellschaft erhalten, bietet sich die stille Gesellschaft an. Bei der „typischen stillen Beteiligung“ sind solche Kontrollrechte des Geldgebers noch eingeschränkt, bei der „atypischen stillen Gesellschaft“ hat der Geldgeber dagegen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Diese Gestaltungen haben jeweils auch erhebliche steuerliche Auswirkungen.
Häufig wird der Geldgeber bei Startup-Finanzierungen eine Beteiligung an dem Zielunternehmen selbst erwerben wollen, um auf diese Weise seine Informations-, Mitwirkungs- und Exitmöglichkeiten zu erhöhen. Der Investor erhält also einen Anteil am Eigenkapital der Gesellschaft (am Stammkapital bei der GmbH). Ziel ist dann der Verkauf dieses Anteils in absehbarer Zeit zu einem möglichst hohen Preis. Dies ist das Geschäftsmodell von Private Equity Firmen, Venture Capital Unternehmen oder anderen Beteiligungsfirmen.
Zwischen der Finanzierung durch Fremdkapital und der durch Eigenkapital steht das Mezzanine Capital. Hier wird ein Darlehensvertrag mit der Option verbunden, die Ansprüche des Investors in eine Beteiligung umzuwandeln.
Ablauf einer Finanzierungsrunde
Nach einer Kontaktaufnahme und dem Bekunden eines Investmentinteresses durch den Kapitalgeber präsentiert das Startup-Team seine Idee und übermittelt einen Businessplan. Neben den wirtschaftlichen Chancen vermittelt dieses Dokument dem Investor vor allem einen Eindruck, wie solide sich das Gründungsteam bislang mit den „Zahlen“ beschäftigt hat. Neben einer realistischen Kostenschätzung ist daher darauf zu achten, dass die wirtschaftlichen Annahmen zur Marktsituation aus zuverlässigen Quellen stammen und der Businessplan insgesamt konsistent ist.
Verfestigt sich das Interesse des Investors an dem Unternehmen, so schließen die Beteiligten meist ein LOI/MOU oder Termsheet. In diesem mal mehr mal weniger verbindlichem Dokument werden die wesentlichen Punkte festgehalten, die in dem endgültigen Vertrag ausformuliert werden sollen. Neben der Bewertung sind dies insbesondere die Sonderrechte des Investors oder die von ihm zusätzlich verlangten Sicherungen. Außerdem ist in diesem Vorvertrag das weitere Vorgehen geregelt, insbesondere die Due Diligence.
Während der Due Diligence hat der Investor Zugang zu allen Unterlagen des Zielunternehmens. Hier wird das Unternehmen auf Herz und Nieren geprüft: Ist die Buchhaltung in Ordnung, die Steuererklärungen rechtzeitig und korrekt abgegeben, alle Rechte geklärt, Kundenverträge wirksam geschlossen, Marken und Patente gesichert etc. Gleichzeitig wird das finale Vertragsdokument vorbereitet und verhandelt. Läuft alles zur Zufriedenheit, steht dem Vertragsschluss nichts mehr im Wege.
Ist eine sehr umfangreiche Due Diligence erforderlich, beispielsweise bei sehr komplexen Unternehmen, so wird der verbindliche Vertrag vor der Due Diligence geschlossen und der Vollzug des Vertrages (Closing) von der Durchführung einer erfolgreichen Due Diligence abhängig gemacht.
Nach Vertragsschluss fließt schließlich das Geld. Hier wird der Investor bei größeren Summen im Vertrag bestimmte Milestones definieren, deren Erreichen weitere Zahlungstranchen auslöst.
Aufgrund der Komplexität dieses Prozesses sollten spätestens sechs Monate vor einem akuten Finanzbedarf konkrete Investorengespräche geführt werden.